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Hartmetall für den Werkzeugbau

Ein Forschungsprojekt des Fraunhofer-Institutes für Keramische Technologien und Systeme IKTS Dresden zeigt, dass Feuchte auf Ausgangsstoffe und Zwischenprodukte bei der Herstellung von Hartmetall für den Werkzeugbau Einfluss nimmt.

Hart und zäh sollen die Werkzeuge sein, die in der zerspanenden Bearbeitung zum Bohren, Drehen, Fräsen, Schneiden und Sägen sowie in der spanlosen Formgebung eingesetzt werden. Bereits zu Anfang des 20. Jahrhunderts wurden zu diesem Zweck die ersten Hartmetalle zum Patent angemeldet. Aufgrund ihrer Eigenschaften sind diese Werkstoffe heute aktueller denn je, daher konzentrieren sich Forschung und Entwicklung auf neue Zusammensetzungen der Ausgangsmaterialien sowie die Optimierung der Herstellverfahren, um die Produktqualität stetig zu verbessern. Am Fraunhofer-Institut für Keramische Technologien und Systeme IKTS Dresden untersucht ein Gemeinschaftsprojekt mit mehreren Hartmetallfirmen unter Federführung des Arbeitskreises Hartmetalle im Fachverband Pulvermetallurgie seit dem Sommer 2008 den Einfluss von Feuchte bei der Herstellung von Hartmetall. Klaus Jaenicke-Rößler vom IKTS Dresden gibt fachliche Einblicke in das Forschungsvorhaben und zeigt erste Ergebnisse.

Zusammensetzung und Herstellung von Hartmetall

Wie überall steigen auch beim Hartmetall die Anforderungen an die Wirtschaftlichkeit bei gleichzeitiger Verbesserung der Qualität. Vorteile im Werkzeugbau ergeben sich aus längeren Werkzeugstandzeiten und präziserer Werkstückbearbeitung aufgrund geringerem Verschleiß sowie hoher Zähigkeit und Schlagfestigkeit. Hartmetalle sind ein Verbundwerkstoff und bestehen zum größten Teil aus Hartstoffen wie z.B. Wolframcarbid sowie aus Bindemitteln, die während des Formprozesses (Sintern) die Räume zwischen den Hartstoffkörnern, deren Größe sich im Mikrometerbereich bewegt, ausfüllen, um eine ausreichende Zähigkeit des Werkstoffes sicherzustellen. Dabei kann die in den Rohstoffen, Aggregaten und Lagerungsatmosphären vorhandene Feuchte die technischen Prozesse und damit die Endeigenschaften des Produktes negativ beeinflussen. Es besteht daher sowohl in den Werkstoffwissenschaften als auch in der Betriebswirtschaft an der Aufklärung der durch definierte Feuchtegehalte ausgelösten Reaktionen und Prozesse. In Abhängigkeit von Temperatur, Zeit und Feuchtegehalt der Atmosphäre wird von den Rohstoffen und Zwischenprodukten Wasser aufgenommen. Die Abgabe des Wassers bzw. seiner Reaktionsprodukte mit bestimmten Materialkomponenten ist während des abschließenden Entbinderungs-, Ausgas und Sinterprozesses mit kalorischen Effekten, Masseänderungen und Probenausgasungen sowie Dimensionsänderungen des Hartmetalles verbunden und wirkt sich mehr oder weniger stark auf dessen Endeigenschaften aus.

Konstantklimaschrank in den modernen Werkstoffwissenschaften

Geeignete Sonden zur in-situ-Beobachtung dieser Effekte liefert die Thermoanalyse mit Methoden wie der Dynamischen Differenzkalorimetrie (DSC), der Thermogravimetrischen Analyse (TGA) in Kopplung mit der Emissionsgasthermoanalyse (EGA) und der Thermodilatometrie (DIL). Während die Arbeitsgruppe Thermische Analyse und Thermophysik am Fraunhofer IKTS auf dem thermoanalytischen Gebiet über geeignete Apparaturen, umfangreiche Kenntnisse und langjährige Erfahrungen zur Durchführung der in-situ-Beobachtungen verfügte, war die Gerätetechnik für die Klimalagerung zu erweitern. Umfangreiche Recherchen führten zur Beschaffung der Konstantklima-Kammer HPP 108 auf Basis der Peltier-Technik mit digitaler Feuchteregelung. Auswahlkriterien waren Langzeitstabilität, Zuverlässigkeit der Regelungstechnik, Wirtschaftlichkeit, Laufruhe und niedrige Schallpegel. Vor allem bei den beiden letztgenannten Eigenschaften haben die thermoelektrisch arbeitenden Peltier-Elemente eindeutige Vorteile gegenüber herkömmlicher Kompressortechnologie. Tests zum Einfahren des Konstantklimaschrankes befassten sich mit der Realisierung vorgegebener Temperatur-Zeit- und Feuchte-Zeit- Stufen sowie mit dem Regelverhalten der Kammer bei Öffnung der Doppeltüren und bei anderen plötzlichen Belastungswechseln wie Feuchtezugabe oder Feuchteabgabe. Wie auch die Auswertung der parallel eingesetzten unabhängigen Datenlogger für Temperatur und Feuchte zeigte, verliefen alle Tests sehr zufriedenstellend.

Einfluss des Feuchtegehalts auf die Qualität von Hartmetall

Im Anschluss daran begannen die eigentlichen Untersuchungen. Über die gesamte Zeit lief der Konstantklimaschrank stabil und zuverlässig. So wurden zwei unterschiedliche Hartmetallsorten in Form vorgetrockneter extrudierter Stäbe nahe Raumtemperatur (25°C) unter drei unterschiedlichen relativen Feuchten (30 %rh, 50% rh und 70% rh) 670 Stunden gelagert. Abbildung 1 zeigt am Beispiel der Masseänderung den Feuchteeinfluss. Es ist zu erkennen, dass mit steigender Feuchte die Masse erwartungsgemäß zunimmt, Sorte 1 aber bei der niedrigen und mittleren Feuchte überraschenderweise Masseverluste zeigt. Wie sich dieses Verhalten beim abschließenden Sinterprozess auswirkt, zeigt Abbildung 2 anhand der TGA- Kurven von Sorte 1 im Entbinderungsbereich (Temperaturen kleiner 600°C). Die Aufsplittung der Masseverlustkurven für unterschiedlich feucht gelagertes Material beweist die starke Beeinflussung der Kohlenstoffbilanz und damit der Endeigenschaften des Hartmetalles.

Heimat der Werkstoffwissenschaften: Fraunhofer-Institut IKTS in Dresden

Hier können nun Werkstoffwissenschaft, Physik und Chemie ansetzen und Kinetik und Mechanismen der Effekte aufklären. Im Ergebnis gewinnt man Sicherheit im produktionstechnischen Ablauf und kann parallel dazu die Qualität des Hartmetalles gezielt verbessern. Das Fraunhofer-Institut IKTS Dresden entwickelt anwendungsorientiert moderne keramische Hochleistungswerkstoffe, industrierelevante Herstellungsverfahren und prototypische Bauteile. Es ist eines von 57 Instituten der Fraunhofer-Gesellschaft, der größten Organisation für angewandte Forschung in Europa. 14.000 Mitarbeiter, überwiegend mit natur- oder ingenieurwissenschaftlicher Ausbildung arbeiten für Industrie- und Dienstleistungsunternehmen sowie die öffentliche Hand.