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Shola Olunloyo - Ein Küchenchef mit vielen Talenten

Manche Menschen scheinen alle Talente in sich zu vereinen. Shola Olunloyo ist einer von ihnen. Das Universalgenie ist ein renommierter Küchenchef, dazu noch ein hervorragender Fotograf und wenn er über die Kunst des Kochens schreibt, schwingt in seinen Texten eine bisweilen poetische Note mit.

Auf vielen Reisen rund um den Erdball hat er nicht nur seine Fertigkeiten, sondern auch seinen Horizont erweitert. Jetzt ist er erst einmal zu Hause angekommen – in seinem ersten eigenen Restaurant, dem Speck in Philadelphia. Wir haben Shola im Internet entdeckt. In einem Blogbeitrag beschrieb er einen köstlichen Salat aus gelben Frühsaison-Tomaten, getrocknet in seinem Memmert-Ofen, kombiniert mit Krabbenfleisch und anderen leckeren Zutaten am Ende gekrönt von einem Tomaten-Verbene-Sorbet. Köche sind normalerweise nicht unsere primäre Zielgruppe und so waren wir natürlich neugierig, die Story hinter der Story zu erfahren. Wer ist dieser so ganz und gar untypische Koch, der scheinbar Lichtjahre vom gängigen Promizirkus der Reality-TV-Shows entfernt ist?

10 Fragen an Shola Olunloyo

 

Memmert: Shola, Wo hast du deinen Memmert Wärmeschrank gefunden und welcher Gedanke verbarg sich hinter dem Kauf?

Shola: Ich fand den Wärmeschrank bei einer Firma, die Restbestände an Laborgeräten über das Internet verkauft. Die Idee dahinter war, einen Ofen zu finden, der präzise temperierbar war. Nicht nur zum Dehydrieren, sondern auch um mit niedrigen Temperaturen exakt kochen zu können.

 

Memmert: Themen wie Chemie in der Küche und molekulares Kochen sind immer noch en vogue. Basieren deine Kochexperimente auf Chemie- und Physikkenntnissen, oder bist du der Typ Koch, der durch seine Sinneserfahrungen lernt. Ein Wissenschaftler würde vermutlich fragen, ob deine Küche evidenzbasiert oder erfahrungsbasiert ist.

Shola: Meine Küche basiert auf meinen Sinnen und praktischer Übung. Ich bin nicht so wirklich an der puristischen Anwendung der so genannten molekularen Küche interessiert. Meine Experimente konzentrieren sich im Wesentlichen auf Verfeinerung, Konsistenz, Geschmack und Geschwindigkeit; schnellere und effizientere Wege zu finden, die Dinge jedes Mal besser zu machen.

 

Memmert: Du scheinst nicht wirklich auf Publicity und Ruhm aus zu sein, Aber gibt es einen berühmten Menschen für den du gerne einmal kochen würdest?

Shola: Ich hätte gerne für Miles Davis gekocht und mit ihm über die Komposition von Geschmack gesprochen.

 

Memmert: Du bezeichnest dich selbst als Autodidakt, musst aber doch in irgendeiner Form in die Lehre gegangen sein. Wann hat deine professionelle Karriere begonnen?

Shola: Ich koche erst seit ungefähr 15 Jahren. Ich nenne mich selbst einen Autodidakten, weil ich getrieben durch meine Leidenschaft und mein aktives Interesse ständig Neues dazulerne. In dem Maß, in dem ich aus zahllosen Quellen Informationen aufnehme, sind es dieses aktive Interesse und diese intellektuelle Neugier, aus der sich schlussendlich meine Kompetenz formt.

 

Memmert: Viele Kontinentaleuropäer haben die Neigung, auf amerikanisches (und englisches) Essen herabzusehen. Was ist deine Meinung als professioneller Küchenchef dazu?

Shola: Generell empfinde ich es so, dass sich in dieser negativen Sichtweise mangelndes Wissen und mangelnde Sorgfalt beim Ermitteln von Fakten widerspiegeln. Die meisten Kontinentaleuropäer sehen amerikanisches Essen als „Fast Food“ und Hamburger, was überhaupt nicht stimmt. Wenn Europäer sich tatsächlich bemühen, die regionale amerikanische Küche kennenzulernen, finden sie eine reichhaltige Historie an köstlichen, facettenreichen Gerichten mit europäischem Einfluss. Der portugiesische und italienische im Nordosten, der afrikanisch-karibische im Süden, der holländisch-deutsche in Pennsylvania. Amerikanische Küche ist nicht weniger elegant oder komplex als die italienische, französische, deutsche, österreichische oder osteuropäische Küche. Amerikanische Küche definiert sich nicht über McDonald‘s oder Kentucky Fried Chicken. Ähnliches gilt natürlich für die regionale britische Küche.

 

Memmert: Du bietest im Speck moderne amerikanische Küche. Beschreibst Du uns bitte diese Herangehensweise und was sind die typischen amerikanischen Zutaten sind?

Shola: Ich nähere mich der amerikanischen Küche dadurch an, dass ich hochwertige Zutaten finde und mich nicht durch streng historische oder authentische Nachahmungen und Interpretationen einengen lasse. Das Ziel ist, mich auf das Aroma zu konzentrieren, das jede Zutat zu dem fertigen Gericht beiträgt. Zum Beispiel können wir ein Pastagericht kreieren, das nicht italienisch ist, sondern delikat. Wir wollen Italien nicht verändern oder neu interpretieren, sondern dadurch inspiriert werden. Amerikanische Zutaten sind die gleichen wie überall anders auch. Natürlich verwenden wir einige fremde Produkte, aber das ganze Konzept der neuen amerikanischen Küche basiert nicht auf der Wahl der Zutaten, sondern auf der Art wie sie eingesetzt werden. Wenn ein Amerikaner an der Loire französische Lilien im impressionistischen Stil malt, ist das nicht französische Kunst, sondern Kunst von einem Amerikaner im französischen Stil des Impressionismus.

 

Memmert: Bevor du das Speck eröffnet hast, warst Du mit einem Projekt beschäftigt, das du Studiokitchen genannt hast. Beschrieben hast du es als wöchentliche gemeinschaftliche Esserfahrung, ein Forum für den intellektuellen Austausch und Diskussionen über Essen und Kochen. Hat diese Erfahrung dein Wissen darüber wie andere Menschen Essen wahrnehmen, erweitert?

Shola: Studiokitchen hat das mit Sicherheit erreicht. Es ging darum, die Menschen nicht vor den Kopf zu stoßen oder diktatorisch zu erscheinen. Denjenigen, die für alle Möglichkeiten offen waren, sollten auch neue Dimensionen und Freuden des Essens eröffnet werden. Studiokitchen war keine Konsumerfahrung. Bei einer Konsumerfahrung gibt der Kunde alles vor. Von der Ankunftszeit über das Menü und wie es gegessen werden soll. Bei Studiokitchen sollte der Kunde einfach nur sagen: „Gib mir etwas zu essen.“ In Amerika lügen die Leute ständig wegen Einschränkungen durch Diäten oder Allergien. Sicher gibt es Menschen mit ernsthaften medizinischen oder religiösen Einschränkungen, die Mehrheit der Menschen folgt jedoch törichten Marotten wie Atkins, Low-Carb oder South-Beach-Diät. Das ist völliger Unsinn, soweit es die Gastronomie betrifft. Wenn man den Menschen dabei helfen kann, ihren Geist zu erweitern, ändert sich ihre Wahrnehmung von Essen in wunderbarer Weise.

 

Memmert: Du sammelst wertvolle Küchengeräte und offensichtlich appellieren Ordnung und Reinlichkeit an deine Künstleraugen. Welche anderen Sinneseindrücke tragen neben visuellen Erlebnissen zu deiner Küche bei?

Shola: Geschmack ist offensichtlich das oberste Ziel meiner Küche, wobei Textur und Temperatur Akzente setzen. Ich denke, es muss nicht weiter verkompliziert werden. Ich wünschte, ich hätte etwas Klügeres hinzuzufügen, aber Essen leidet nur unter Über-Intellektualisierung.

 

Memmert: Du bist in Nigeria geboren, in England aufgewachsen und lebst seit 1998 in den Staaten. Es ist schwer jetzt eine nicht allzu klischeebehaftete Frage zu stellen, aber wir versuchen es dennoch. Sind Wurzeln für dich wichtig, oder siehst du dich selbst als einen kontinuierlich wachsenden Mix an Kulturen?

Shola: Wurzeln sind mir wichtig. Geschichte sollte der Rahmen sein, aus dem sich die Zukunft entwickelt. Ich denke aber nicht, dass sie sich in jedem Fall mit Inspirationen überschneiden sollte. In vielen Fällen empfinde ich das strenge Festhalten an der Geschichte als einziger Inspiration als sehr kurzsichtig. Wenn Kulturen ineinander aufgehen, entdecken wir neue Dinge über uns selbst, über andere und das, was wir essen. Ich lasse niemals zu, dass meine persönliche Geschichte die Wahrnehmung dessen, was ich tue, diktiert; beides schließt sich gegenseitig aus. Wir Köche sind manchmal von Public Relations getrieben. Jedes Mal, wenn ich im Interview eines Küchenchefs lese, er habe seiner Mutter während des Heranwachsens still beim Kochen zugesehen, lächle ich leise vor mich hin. Es klingt romantisch und ist gut für die PR, hat aber nichts damit zu tun, wie ein Koch sich in der Moderne entwickelt.

 

Memmert: Gibt es irgendwelche Gerichte, die du nicht isst?

Shola: Ich bin gegen Krabben, Langusten, Hummer und alle Krustentiere allergisch. Das hält mich jedoch nicht davon ab, sie zu verarbeiten. Ich finde immer einen Weg, den Geschmack zu prüfen, indem ich die Geschmacksträger wie Soßen abschmecke.

 

Memmert: Danke für das Gespräch, Shola. Und bis bald.