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Zellbasierte Assays im Brutschrank

Die Arbeitsgruppe von Frau Prof. Kostenis am Institut für Pharmazeutische Biologie der Universität Bonn hat ein labelfreies Screening-Testsystem für pharmazeutisch wirksame Substanzen auf Basis optischer Biosensoren validiert und nutzt dieses nun erfolgreich in zahlreichen Forschungsprojekten. Ein Peltier-gekühlter Brutschrank IPP und ein Brutschrank I von Memmert garantieren die präzise Temperierung während der Assays.

G-Protein-gekoppelte Rezeptoren (GPCRs) bilden mit rund 1000 Mitgliedern die größte Proteinfamilie. Ihre Bedeutung für die interzelluläre Kommunikation spiegeln auch die zwei Nobelpreise wider, die 1994 [1] und 2012 [2] für Forschungsarbeiten rund um die Superproteinfamilie verliehen wurden. Die genaue Funktionsweise bei vielen physiologischen Vorgängen in tierischen und pflanzlichen Organismen war lange ein Geheimnis und bis zum heutigen Tag arbeiten Biologen, Chemiker und Pharmakologen an der exakten Abbildung der molekularen Mechanismen.

Inter-/intrazelluläre Signalgeber: G-Protein-gekoppelte Rezeptoren

Viele Botenstoffe wie Hormone, Neurotransmitter oder Pheromone dringen nicht ins Zellinnere ein, sondern binden außen an der Zellmembran an hochspezialisierte Rezeptoren. Alleine rund 1000 verschiedene G-Protein-gekoppelte Rezeptoren [III] übernehmen im menschlichen Organismus den Signalfluss ins Zellinnere und damit die Aktivierung weiterer Instanzen. Sie gehören daher zu den am intensivsten erforschten Zielstrukturen in der Pharmakologie. Zahlreiche Arzneimittel wie Betablocker, Antihistaminika oder Neuroleptika wirken an GPCRs und die Erforschung weiterer Wirkmechanismen birgt für die Medizin ein schier unerschöpfliches Therapiepotenzial. „GPCR und ihre assoziierten G-Proteine sind an vielen physiologischen Effekten wie z.B. Regulation des Blutdrucks, des Tonus der Atemwege, aber auch Zellbewegung, Metabolismus und Zellproliferation beteiligt.“ [IV]

Wachsende Bedeutung zellbasierter Assays

Die Arbeitsgruppe von Frau Prof. Kostenis im Institut für Pharmazeutische Biologie der Universität Bonn widmet sich schwerpunktmäßig G-Protein-gekoppelten Rezeptoren sowie intrazellulären Signalwegen und dabei auch der Bestimmung pharmazeutisch aktiver Substanzen auf GPCRs und der Familie der heterotrimeren G-Proteine.

Zur Untersuchung solcher Substanzen, die sowohl in die Entwicklung von pharmazeutischen Präparaten münden, als auch wertvolle Werkzeuge zur Entschlüsselung von komplexen Signalwegen darstellen können, ist es notwendig die intrazellulären Signaltransduktionsvorgänge zu erfassen. Dies kann über die Erfassung einzelner Ereignisse in Zellen erfolgen, wobei häufig chemisch markierte Moleküle (z.B. durch fluoreszierende Substanzen) eingesetzt werden und die rezeptortragenden Zellen zudem häufig lysiert werden. Dabei besteht immer die Gefahr, dass die Markierungsgruppen selbst die zu erfassenden Interaktionen beeinflussen.

Daher hat sich die AG Kostenis parallel dazu schon früh markierungsfreien Untersuchungsmethoden, sogenannten labelfreien (label-free) Assays, gewidmet, wie z.B. der Methode zur Erfassung der dynamischen Massenumverteilung (Dynamic Mass Redistribution, DMR), welche auf der Erfassung von kleinsten Änderungen der optischen Dichte in Zellen, wie sie z.B. nach Aktivierung von GPCRs erfolgen, basiert (Schröder et.al., 2010, 2011). Die DMR-Methode bietet eine ganzheitliche (holistische) Erfassung des komplexen Signalgeschehens in ganzen lebenden Zellen. Das Besondere hierbei ist, dass bei dieser Methode alle vier Hauptsignalwege von GPCRs erfasst werden können, für die sonst jeweils einzelne Assay-Plattformen herangezogen werden müssen.

Dadurch kann diese Methode bereits im Frühstadium der Pharmaforschung komplexe, zellbasierte Daten in Echtzeit liefern. Dies kommt in-vivo-Testreihen näher als andere Methoden und kann somit auch dazu beitragen den Bedarf an Tierversuchen zu reduzieren. Die DMR-Methode ist zudem Hochdurchsatz-Screening tauglich (High-Throughput-Screening, HTS) und daher auch für die pharmazeutische Industrie von Interesse zur Testung von Substanzbibliotheken von hunderttausenden Substanzen auf ausgewählte Zielstrukturen.

Zellbasierte Assays und labelfreier Nachweis 

Die Möglichkeit, physiologische Vorgänge in den Zellen labelfrei und in Echtzeit zu messen – also ohne den Umweg über die Reaktion lumineszierender oder radioaktiver Substanzen – und die holistische Erfassung ist für die moderne Forschung ein Hauptvorteil dieser neuen Screening-Technologien. Das Institut für Pharmazeutische Biologie arbeitet für den labelfreien Nachweis an G-Proteinen mit dem Epic® BT [V] von Corning. Das Messsystem besteht aus einer Breitband Lichtquelle, einem optischen Biosensor, der in eine 384-er Wellplatte eingebracht ist und einem Detektor. Trifft polarisiertes Breitbandlicht auf den Biosensor, wird Licht einer bestimmten Wellenlänge reflektiert. Kommt es durch die Substanzzugaben zu Signalwegsaktivierungen, wird aufgrund der damit verbundenen Umverteilung zellulärer Massen Licht anderer Wellenlänge reflektiert. Die Messresultate weisen die Differenz der reflektierten Wellenlängen in Picometern aus und spiegeln eine Änderung der optischen Dichte in der Nähe des Biosensors wider. Eine typische Anwendung ist z.B. die Quantifizierung der Wirksamkeit verschiedener Substanzkonzentrationen über Konzentrations-Effekt-Kurven (Abb.). 

Temperierung des Corning Epic® BT im Brutschrank

Zwei Brutschränke aus dem Hause Memmert sind im Institut Teil des Messaufbaus. Das Pipettieren der Wells erfolgt in einem kleinen Pipettierroboter, der im Memmert Brutschrank IN160 temperiert wird. Da DMR-Messungen temperatursensibel sind, wird das Epic® BT System von Corning in einem Peltier-gekühlten Brutschrank IPP110 bei typischerweise exakt 28 °C oder 37 °C temperiert. Die Kühlfähigkeit des Inkubators ermöglicht dabei einerseits je nach Bedarf geringere Temperaturen als die aktuelle RT zu wählen, andererseits einen schnelleren Wechsel zwischen verschiedenen Messungen bei unterschiedlichen aufeinanderfolgenden Temperaturen.

Vor allem die Laufruhe des Kühlbrutschranks IPP und der annähernd vibrationsfreie Betrieb waren für die Universität Bonn laut Dr. Ralf Schröder, einem der Hauptverantwortlichen für die Validierung des Testsystems, ausschlaggebend gewesen. Die Messungen werden bei konstanten Temperaturen über einen Zeitraum von ca. 60 - 90 Minuten vorgenommen. Nach der Messung des basalen Signalniveaus müssen die Substanzen für die Reaktionsmessung zugegeben werden, dabei ist die Inkubatortür jedes Mal rund 5 Sekunden geöffnet. Neben der Temperaturkonstanz schätzt man am Institut daher auch insbesondere die schnellen Erholzeiten nach dem Öffnen der Tür. Um zu starke Änderungen der Temperaturen zu verhindern, wurde in die gläserne innere Abschlusstür eine kleinere Spezialtür (Tür in Tür) eingebaut (ca. 120 x 160 mm), die separat geöffnet werden kann und eine Temperaturänderung deutlich minimiert.

Der Text dieses Artikels basiert im Wesentlichen auf Erläuterungen des Instituts für Pharmazeutische Biologie an der Universität Bonn. AtmoSAFE bedankt sich bei Herrn Dr. Ralf Schröder und der Firma Corning in Wiesbaden für die freundliche Unterstützung. Th. Geyer hatte die Universität Bonn bei der Auswahl der Brutschränke anwendungstechnisch beraten.